Die Geschichte des Henkerhauses in der Altstadt von Meran

Das Scharfrichterhäusl in Steinach

Die wechselhafte Geschichte eines unscheinbaren Häuschens.

Das Scharfrichterhäusl steht in Steinach, dem ältesten Teil Merans und findet bereits 1290 in einem Dokument Erwähnung (Urbar von Schloß Tirol 1290). Graf Reinhard II. von Tirol hatte damals eine ganze Gasse in Meran mit allen Häusern, Wirtschaftsgebäuden und Weingärten von „Arnold dem Tarant“ gekauft. In dem Dokument werden alle Häuser der Gasse mit Zubehör und Ertrag angeführt. 1633 taucht das Scharfrichterhäusl das erste Mal namentlich auf. Damals hatte der Scharfrichter für die Gerichte an der Etsch, für Vinschgau, Nauders, Engadin, am Eisack bis zum Gericht Steinach (am Brenner) und für das Pustertal in Meran seinen Amtssitz. Es wurde notwendig, dem „Freimann“ eine eigene Behausung zu geben, und man wies ihm das 1633 vom Aerar erstandene „Totengräberhäusl“ in Steinach zu. In dem Gebäude hatte also früher der Totengräber von Meran gewohnt, der von Steinach bis zum Gottesacker rund um die Pfarrkirche nur eine kurze Strecke Weges hatte. Der zweite Scharfrichter von Meran – der überlieferungsgemäß in dem Steinacher Haus wohnte – hieß Franz Putzer. Im Jahre 1755 wurde Martin Putzer († 1812) Freimann. Das Gewerbe des Scharfrichters war also allem Anschein nach vererblich. Beinahe zwei Jahrhunderte lang – von 1633 bis 1812 – hatte das Scharfrichterhäusl den Freimännern von Meran Wohnung und Heimstatt gegeben und wurde zudem als Kerker genutzt. Manch armer Sünder, der sein Leben nach Recht und Gesetzt verwirkt hatte, verbrachte seine letzten Tage vor dem schweren Gang zum Galgen unter „reu“ und „Leid“. Die Richtstätte, und zwar der Galgen, befand sich an der Passer beim sogenannten „hölzernen Steg“. Nach dem Tode des Martin Putzer wurde das Haus an den Maurermeister Röck verkauft, der es handwerksgerecht ausbesserte und in einen wohnlichen Zustand versetzte. Maurermeister Röck verkaufte es 1838 an den Pfarrgeistlichen Johann Degeser, den letzten Feldkaplan Andreas Hofers und der Burggräfler Kompanien gegen Marschall Lefebvre und bei Unken (August-September 1809). Steinach galt damals als der gesündeste Stadtteil von Meran und das sollte sich zur Zeit der Cholera-Epidemie im Jahre 1836 bestätigt haben. Steinach soll von dem allgemeinen Sterben verschont geblieben sein und man schrieb das dem frischen Passeirer Wind zu, der – damals nicht weniger als heute – die drückendste Sommerhitze in der Gegend am Berg oberhalb der Wassermauer erträglich macht. Steinach wurde daher auch von den Fremden bevorzugt und manche der ersten Meraner „Kurgäste“ fanden auch im „Scharfrichterhäusl“ Herberge.

Der Scharfrichter oder Henker

Der Freimann, der außerhalb der Gesellschaft stand.

Grundsätzlich wurden in Tirol nur voll ausgebildete Scharfrichter beschäftigt, die ihre Befähigung durch schriftliche Zeugnisse nachweisen konnten oder die ihre Geschicklichkeit bei einer Hinrichtung unter Beweis stellen konnten. Als sich 1562 Hans Schwingsmesser für die Meraner Scharfrichterstelle bewarb, musste er zuerst nachweisen, bei wem er gelernt hatte und dass er darüber auch Zeugnisse besaß. Es musste gelernt sein, mit einem Schwerthieb den Kopf vom Rumpf zu trennen, die Gliedmaßen mit dem Rad „sachgemäß“ zu brechen oder einen Verbrecher so zu hängen, dass der Tod durch Genickbruch möglichst rasch eintrat. Außerdem gehörte neben der Geschicklichkeit auch eine gute körperliche Konstitution zu den Voraussetzungen. Nur so konnten die oft sehr unmenschlichen Todesurteile ausgeführt werden. Als Beispiel sei das Urteil des Meraner Gerichtes gegen Georg Graf, vulgo „Zigeuner“, aus dem Jahre 1644 angeführt, das bestimmte, „daß ihm anfänglich drei Zwicke mit glühender Zange gegeben, die zwei Unterarme und Schienbeine mit dem Rad abgestoßen, darauf die rechte Hand abgehaut und alsdann er auf dem Scheiterhaufen mit angehängten Pulversäcklein zu Asche verbrannt werden solle.“
Da das Scharfrichterhandwerk sehr oft in der Familie blieb, lag es natürlich nahe, dass der Vater die Ausbildung seines Sohnes übernahm. Melchior Frey, der ab 1563 Meraner Scharfrichter war, hatte bei seinem Vater, dem Haller Henker Johann Frey, gelernt und diesem längere Zeit als Henkersknecht gedient. Eher zu den Kuriosa ist die Bestellung des minderjährigen Hans Fürst 1592 zum Meraner Scharfrichter zu zählen, welcher bei seinem Vater, dem Haller Henker Michel Fürst, ausgebildet worden war.

Zu den Tätigkeiten des Scharfrichters gehörten:
die peinliche Befragung (Tortur), Pranger (Strohkranz, Geige, Rute, Ruder, Narrenhäusl und hölzerner Esel), Brandmarken, Verstümmelungsstrafen, Enthaupten, Hängen, Ertränken, Rädern, Pfählen, Verbrennen, Vierteilen, Fehlrichten, Bestattung von Selbstmördern.

Das Richtschwert

In Tirol sind zwei Richtschwerter erhalten, die seinerzeit von den Scharfrichtern von Hall und Meran bei Exekutionen benützt wurden. Eines davon ist im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck und wird als das „Sonnenburger Henkerschwert“ bezeichnet. Die Richtschwerter mussten von den Freimännern selbst beschafft werden und blieben ihr persönliches Eigentum.
Das zweite in Tirol erhaltene Henkerschwert wurde 1733 angefertigt und stammt aus dem Besitz der Scharfrichterfamilie Putzer. Es befindet sich heute auf Schloss Schenna bei Meran.
Das Schwert hat im Ganzen eine Länge von 110 cm, wovon 88 cm auf die Klinge und 22 cm auf den Griff entfallen.
Die Blutrinne ist 21 cm lang und 2 1/2 cm breit. Die Klinge ist zweischneidig, beide schneiden nicht in scharfen Fasen, sondern in sanft abgerundeter Fläche in die Mittelfläche übergehend.
Der Griff ist des besseren Haltens wegen mit einer Schnur umwickelt, besteht aus Eisen und dient als Gegengewicht zur schweren Klinge.
Am Ende einer jeden Blutrinne ist die Figur der Justitia mit verbundenen Augen, in der rechten das Richtschwert, in der linken die Waage haltend, eingegraben.
In die Blutrinne eingraviert finden sich folgende zwei Inschriften:

„Wan ich das Schwert thu aufheben, den gebet Gott dem armen Sünder das ewige Leben“. Anno 1733.
„Wan dem armen Sünder wird abgesprochen das Leben, dann wird er unter meine Hand gegeben.“ Anno 1733.

Nach altem Aberglauben der Henker hatte ein Schwert, das zu hundert Exekutionen benützt worden war, genug Blut getrunken und wurde dann von dem betreffenden Scharfrichter feierlich begraben.